Kampfhund - Na und?     Über Sinn und Unsinn der Rasseliste


Foto: Amy



Rottweiler, Pit Bull, Staff und Co.

Rassen die bei den meisten Menschen sichtbares Unbehagen auslösen. Viel zu oft hört und liest man über die potentielle Gefahr solcher Hunde – viel zu oft von Beißvorfällen auf Erwachsene und Kinder.

Grund genug die (im Volksmund bekannten) „Kampfhunde“ alle für gefährlich zu erklären?


Saskia G. ist Besitzerin der 3 jährigen Pitbull-Mischlingshündin „Amy“ (s. Bild). Auch sie sieht sich täglich konfrontiert mit den geballten Vorurteilen der Menschen in ihrer Umgebung. Grund genug für uns einmal aus der Perspektive eines „Kampfhundbesitzers“ nachzuhorchen.


Doch was bedeutet eigentlich die Bezeichnung „Kampfhund“?

Eine Bezeichnung die besonders „Pro-Listis“ als reine Provokation empfinden. Denn schließlich gilt der Grundsatz: Kein Hund wird böse geboren.

Warum also hält sich der Begriff „Kampfhund“ so besonders hartnäckig in den Köpfen der Leute – würde es nicht auch im Sinne einer Vorurteilsfreien Gesellschaft dazu beitragen diese Bezeichnung ein für alle Mal zu eliminieren?


Der Begriff „Kampfhund“ ist ein übergeordneter Begriff und bezieht zurecht einige Listenhunderassen mit ein. Warum? – Hier einmal ein Beispiel:

Ein „Schlittenhund“ ist keine Rasse sondern der Oberbegriff für sämtliche Rassen, welche sich für den Zughundesport eignen (darunter bevorzugt der Alaskan Malamute sowie der Siberian Husky).

Ebenso ist der „Hütehund“ ein Oberbegriff für Hunderassen wie den Border Collie, den Welsh Corgi, den American Collie, den Australian Shepherd usw.

Frei nach dem Motto: Jeder Border Collie ist ein Hütehund – aber nicht jeder Hütehund ist ein Border Collie.

Kampfhunde gehen bis ins die Antike zurück. Damals wurden sie zum Zwecke des Kampfes gegen einen Artgenossen eingesetzt. Hierbei ist aber zu erwähnen, dass das Ziel eines Kampfes war – den Gegner durch Masse und Gewicht herunter zu drücken und nicht direkt zu verletzen. Dementsprechend wurden nur massige Hunde (heute „Molosser“) hierfür eingesetzt. Im späteren Verlauf wurden diese Hunde im Kampf gegen Löwen und Bären eingesetzt, danach im Krieg gegen Menschen. Die Selektion eines Kampfhundes zielte also schon damals auf Aggressivität, Hartnäckigkeit und Mut.

Mit diesem Wissen im Hintergrund entstanden die heutigen sog. Rasselisten in denen Hunde unterteilt in 2 Kategorien (Typ 1 und Typ 2) aufgeführt werden.

Die Haltung dieser Hunde ist nur mit hohen Auflagen (einschließlich Maulkorb und Leinenzwang) möglich. Außerdem erheben manche Kommunen exorbitant hohe Steuersätze auf die sog. Listenhunde.

Ein Wesenstest (welcher frühestens im Alter von 24 Monaten durchgeführt werden kann) erlaubt es dem Besitzer, seinen Hund ohne Leine und Maulkorb laufen zu lassen.

Grund genug sich keinen Listenhund zu zulegen?

Besonders durch die jüngsten Ereignisse von Hund Chicko, der seine Besitzer tot gebissen hat, wurde das Thema Listenhund erneut hoch gekocht und bestätigte erneut alle die, die gegen die Haltung von Listenhunden sind.

Doch auch ohne diesen Vorfall ist es nicht leicht das Image eines Listenhundes aufzubessern und die Vorurteile gegen bestimmte Rassen aus den Köpfen der Menschen zu verbannen.

Was also bewegt die Menschen sich doch einen solchen anzuschaffen?


Saskia G. hat sich davon nicht beirren lassen. Sie hat ihre Amy (3,5 Jahre alt) nun schon seit 3 Jahren. Amy kam über einen illegalen Transport aus dem Ausland nach Deutschland wo sie dann aus dem Fenster des fahrenden Autos geworfen wurde.

In einem Interview beantwortete sie einige Fragen.

Warum hast du dich ausgerechnet für einen Listenhund entschieden?


Saskia G. “Ehrlich gesagt bin ich eher eine Person die robuste, starke und massige Hunderassen sehr mag. Zudem gefällt mir der Charakter diese Hunde sehr, vom Clown bis hin zum Kuschelmonster ist alles dabei und das meist in nur einem Hund.”


Was schätzt du an deinem Hund besonders? Welche Eigenschaft magst du an ihr am meisten?


Saskia G. “Ich schätze an ihr fast alles. Sie ist zu allen Menschen eine absolut liebevolle und offene Hunddame und knutscht am liebsten alles ab was 2 Beine hat. Man kann einfach alles mit ihr machen, sie hat bei Menschen eine wahnsinnige Geduld und freut sich über jegliche Aufmerksamkeit. Noch nie, hat sie auch nur das kleinste negative Anzeichen gegenüber einem Menschen gezeigt, egal was war! Selbst fremde Menschen wie z.B. Handwerker werden in der Wohnung freundlich begrüßt und direkt abgeschlabbert. Sie liebt es zu kuscheln, schläft sogar immer unter der Bettdecke und sucht immer die Nähe zum Menschen, besonders wenn sie merkt dass es einem mal nicht gut geht. Ich weiß auch ihren kleinen Dickkopf und ihren eigenen Willen zu schätzen, man kann zwar versuchen mit ihr irgendwelche Tricks zu üben, aber wenn sie nicht mehr will, geht sie einfach und legt sich auf die Couch (...).“

Ist Amy dein erster Listenhund oder hattest du schon in der Vergangenheit Erfahrungen mit dieser Rasse?


Saskia G. “Wirklich in meinem Besitz ist es der erste. Ich bin aber auch schon öfter mit welchen spazieren gewesen oder hatte Freunde und Familie mit solchen Rassen. Ich habe aber auch noch seit 6 Jahren meinen schwarzen großen mischling Zuhause, der zwar kein Listenhund ist, aber aufgrund seiner Farbe oftmals genauso gemieden wird und verurteilt wird (...).”

Wirst du auf der Straße oft auf deinen Hund angesprochen? Wie sind da die Reaktionen der Menschen?


Saskia G. “Ich muss sagen, dass ich eigentlich recht positiv überrascht bin. Ab und zu gibt es natürlich Menschen, die die Straßenseite wechseln, die ihre Kinder extra wegziehen oder ihre kleinen Hunde extra auf den Arm nehmen oder die Richtung wechseln wenn sie uns sehen.(...) Viele sagen auch ich könnte sie ruhig laufen lassen, loben wie gut sie denn hören, bedanken sich wenn man sie mit dem Fahrrad durchlässt und sprechen die Hunde sogar kurz an. Ich merke aber deutlich dass es entweder eine positive oder eine negative Reaktion gibt, das sich ein Mensch neutral verhält sieht man recht selten. Entweder man liebt die Hunde oder man hasst sie, aber dessen war ich mir bei der Anschaffung bewusst (...).”

Was müsste sich, deiner Meinung nach, in den Köpfen der Menschen zum Thema Listenhund ändern?


Saskia G. “Da gibt es 2 Seiten bei denen sich etwas ändern sollte. Einmal bei den Menschen die diese Hunde halten und dann bei den Menschen denen man als Halter dann begegnet, es sind nämlich auch die Besitzer der Hunde bei denen sich so einiges ändern muss! (...) Auch diese Rasse benötigt, so wie jeder andere Hund auch Beschäftigung und Auslastung (...). Bei mir gibt es kein „der Hund läuft mal zu den Passanten und schnüffelt mal oder läuft über deren Decke oder Handtücher!“, das ist in meinen Augen rücksichtslos und macht die Ansichten vieler Menschen nicht viel besser. Selbst wenn der Hund “nix tut” ist gegenseitiger Respekt und Rücksicht gefragt und nur dann bessert sich bei vielen auch die Ansicht über die Hunde! (...) die Menschen sollten aufhören sich von den Medien so extrem beeinflussen zu lassen. Leider werden da häufig nur die Beißvorfälle von Listenhunden gezeigt und nicht alle anderen die noch passieren. Respekt sollte man immer vor fremden Hunden haben egal was für einer vor einem steht, aber Angst zu haben nur weil die Medien es so sagen ist nicht das richtige. Ich sehe auch öfter wie gerade Eltern die Kinder dann regelrecht in Panik versetzen, nur weil sie mal irgendwas über einen solchen Hund bei RTL gesehen haben. (...) Individuell urteilen und nicht verallgemeinern würde daher schon viel helfen. Rücksicht, Offenheit und Respekt beider Seiten würde schon vieles bewegen.”

Würdest du dir wieder einen Listenhund anschaffen?


Saskia G. “Ja, ich würde mir tatsächlich sogar nie wieder einen anderen Hund holen. Es gibt höchsten 1-2 Rassen, die mich ansonsten noch interessieren würden, welche nicht unter diese Kategorie fallen würden.”


Thema: Abschaffung der Rasseliste - Wie stehst du dazu?


Saskia G. “An sich bin ich dafür, dass man Hundehalter besser und genauer kontrolliert. Ich finde es nur falsch dies nur auf bestimmte Rassen zu beschränken, vor allem weil viele Methoden in meinen Augen nicht die besten sind, mit denen man die Eignung des Halters testet. Ich habe mir schon öfter den theoretischen Test (Sachkundenachweis) mancher Bundesländer angeschaut und habe mich nicht mehr gewundert, wieso so viele Vorfälle passieren. Mich stört es generell nicht, dass man zb den Wesenstest machen musste, aber mich stört es, dass man es nur auf gewisse Rassen beschränkt. Ein Hund, besonders größere Hunde, können immer eine Gefahr darstellen, wenn sie in die falschen Hände geraten! Auch ein kleinerer Hund kann bei einem Kind massive Schäden anrichten und dazu muss es kein Listenhund sein. Ich finde die Herangehensweise einfach falsch. Rasseliste klares Nein, Kontrollen und (sinnvolle) Tests für die Eignung der Halter, klares Ja!”


Genauso wie Saskia und Amy ergeht es vielen Listenhundehaltern in Deutschland.

Doch wie kommt es also dazu, dass besonders Kampfhunde immer wieder in den medialen Fokus geraten und wegen Beißattacken auf Menschen publik gemacht werden?

Wie bei allen Hunden ist es so, dass Kampfhunde im regelfall den Molossern angehören und demnach groß, massig und schwer werden. Die falsche Erziehung kann dann natürlich einen großen Schaden verursachen.

Im Fall von Hund Chicko - Er wurde jahrelang isoliert von Artgenossen und fremden Reizen gehalten.


Grundsätzlich gilt: Ein Hund muss einen gesunden Geist in einem gesunden Körper haben.


Da die Zucht sowie der Import mancher Listenhunderassen in Deutschland verboten ist, wird der Genpool dieser Rassen äußerst klein gehalten. Viele Hunde stammen somit aus Schwarz- und Inzuchten. Niemand kontrolliert die Gesundheit, die Anlagen und den Charakter der Zuchttiere und sie werden wahllos “vermehrt” und teilweise heute noch für illegale Hundekämpfe missbraucht.

Auch die Aufzucht und die Sozialisation der daraus entstehenden Welpen spielt eine wichtige Rolle für das weitere Leben dieser Hunde.


Hunde werden seit jeher zweckgebunden gezüchtet und gebraucht.

Sei es der Border Collie zum Hüten großer Schafsherden oder der Deutsch Drahthaar zur Begleitung für die Jagd.

Im Zuge dieser Selektion wurden gewisse Aussehens- und Wesenszüge erhalten, herausgezüchtet oder sogar noch herangezüchtet. Ein Beispiel dafür bieten die besonders langen Ohren von Bloodhounds, welche die Funktion haben den Boden durch die Ohrenbewegungen aufzuwirbeln und dem Hund somit eine bessere Fläche zum erschnüffeln zu bieten.

Ein anderes Beispiel bietet der Hütehund. Seine Hüteverhalten ist aus der Jagd und setzt sich aus folgenden Verhaltenskreisen zusammen: Anpirschen, isolieren, hetzen. Das letzendliche töten und fressen wurde aus ihm “heraus gezüchtet”.


Aus diesen bewussten Selektionen kristallisierten sich erwünschte Anlagen, im Wesen des Hundes heraus.

Ein Havaneser oder Chihuahua, welcher als reiner Begleithund gezüchtet wurde, musste keinen starken Beutetrieb oder Schutztrieb haben - dementsprechend wurde in der Zucht keinen Wert auf diese Eigenschaften gelegt und der Hund ist heute so wie er ist.

Anders sieht es aus bei Hunden wie z.B. dem Terrier welcher als damaliger Rattenfänger auch heute noch einen hohen Beutetrieb und eine damit verbundene hohe Beuteaggression zeigt - ebenso wie der Schäferhund.

Besonders der belgische Schäferhund (Malinois) mauserte sich mehr und mehr zum Liebling der Polizeihundestaffel und dominiert unlängst auch die Hundesportszene (besonders im Schutzdienst). Warum? - Er ist ein triebstarker Hund welcher genügend Beutetrieb mit sich bringt. Der Schäferhund steht im allgemeinen aber auch mit in der Top Ten der Beißstatistik weit vor Rottweiler, Staff und co. da er natürlich viel häufiger vertreten ist.

Warum also sind es doch immer wieder die Listenhunde die so negativ auffallen?

Listenhunde sind wie oben erwähnt von muskulöser und massiger Struktur und haben einen verhältnismäßig breiten Kopf und damit auch einen breiteren Kiefer mit einer enormen Beißkraft. In den falschen Händen kann er also einen erheblichen Schaden anrichten.

Charakterlich sind sie i.d.R. ruhige und ausgeglichene Gefährten die bei weitem keine so große Arbeitsbereitschaft und will to please haben wie ein Malinois oder Border Collie.

Die setzen schon gern mal ihren eigenen Kopf durch und treffen Entscheidungen gerne mal selbst.

Daher ist es wichtig, dass der Hund gut sozialisiert wurde und in den richtigen, liebevollen Händen gehalten wird.


Führen statt dominieren


Leider verwechseln immer noch genug Menschen das Führen mit dominieren.

Ein Hund (egal welcher Rasse) benötigt eine konsequente Hand welche dem Hund die richtige Richtung zeigt. Dies basiert auf Vertrauen zum Halter.

Besonders große Hunde werden mit falscher Konsequenz erzogen. Da gibt es dann das Stachelhalsband gegen das Ziehen an der Leine und einen heftigen Ruck mit der Leine gegen den Ungehorsam. Die Folge sind Unsicherheit, Angst und Frustration beim Hund welche sich (lange genug angestaut) gegen den Menschen als Verursacher richten können.

Die Ursache für Aggressionen können vielfältig sein. Angefangen mit physischen Ursachen wie z.B. Schmerzen oder aber auch psychischen wie z.B. hoher Stress oder Angst.

Grundsätzlich sei gesagt: Kein Hund wird bösartig geboren. Er wird geboren mit entsprechenden Rassebedingten Veranlagungen aber auch hier entscheidet letzendlich der Mensch was er daraus machen will.


Hier greift wie so oft unser Grundsatz 20% bekommst du - 80% machst du dir.

Ob nun irgendwann einmal der Kampfhund in unserer Gesellschaft ein besseres Image bekommt steht leider in den Sternen. Wir können nur darauf bauen, dass der Mensch weis wie es funktioniert und im Sinne des Tieres entscheidet.